Doch liegen die ersten kleinen gestreiften Körper am Boden. Sachte hebe ich die erschöpften Bienen auf und trage sie in die Küche, wo der Löffel auf sie wartet, gefüllt mit köstlichstem veganem Honig. Dort setze ich die Immen ab und lasse sie so viel vom goldenen Nektar saugen, wie sie wünschen. Nach einer Weile erheben sich die meisten gestärkt wieder in die Lüfte, ich öffne das Fenster, segne sie und wünsche guten Flug. Wenn sich zeigt, dass dies die letzte Speisung war und das Fliegen bereits geendet hat, bringe ich die Kleinen zurück auf die Terrasse, lege die pelzigen Körper in die Blüte der schönsten Cosmea, segne sie und wünsche gute Reise. Das Bäuchlein gefüllt mit irdischem Gold und umgeben von Wohlgeruch, können sie dann ihre müden Hüllen verlassen und in das goldene Segensreich eingehen, aus dem sie kamen.
Derweil keimt eine zarte Freundschaft: Der Katzengott, Menschenkindern gegenüber skeptisch, weil sie zappelig und laut sind, hat Baby Löwenherz gleich bei ihrem ersten Besuch ins Herz geschlossen und sich zu ihr auf seine Lieblingsdecke gekuschelt.
Gestern riss die Wolkendecke zwischen starken Regengüssen auf und liess für zwei Stunden die Sonne durchscheinen. Ich habe die Zeit genutzt, meine Lieblingsweide zu besuchen. Mit all dem hohen Gras und den vielen Blumen ist sie jetzt besonders schön.
Seit ich hergezogen bin, hatte ich Gelegenheit, sie im Wandel der Jahreszeiten zu beobachten und ihre ureigenen Rhythmen zu entdecken. Ich kenne die Stelle, an der die Rehe am frühen Abend aus dem Wald treten, um zu äsen. Ich weiss, wo man sich still ins hohe Gras setzen muss, wenn man Hasen ganz nah pfeilschnell vorbeirasen sehen will. Dafür, dass sie so possierliche Tiere sind, stampfen sie ganz schön laut beim Rennen!
Es gibt diesen einen Stein, auf dem ich oft sitze und seit ich das zum ersten Mal tat, nehme ich dort ausgeprägt Fuchsenergie wahr. Zwar haben sie sich meinen Augen nicht gezeigt, aber ich habe jedes Mal gespürt, wenn sie mich aus sicherem Versteck beobachtet haben. Gestern sass ich dort, schaute all den vielen Insekten beim Schlemmen an den Nektartöpfen zu, eingelullt von dem regenfrischen Blumen- und Waldgeruch und dem kreischenden Streichkonzert der Heuschrecken, als sich plötzlich ein Blick in meinen Rücken bohrte. Ich wusste, wer hinter mir stand. Der Tag, an dem wir offiziell Freundschaft schliessen, war also gekommen. Ich drehte mich langsam, fast bewegungslos um und sah direkt in seine Augen. Ein prächtiger Kerl, füchsisch herausgeputzt in flammendem Kupfer und adrettem weissem Kragen. So schauten wir uns eine Weile an und lernten uns kennen. Nach einer Weile bat ich um die Erlaubnis, ein Foto zu schiessen und erhielt sie. Nachdem ich einige Bilder gemacht hatte, murmelte der Fuchs «Das Ding ist unverschämt laut» und zottelte in den Wald.
Wenn ihr genau hinschaut, erkennt ihr meinen neuen Freund in der Mitte des zweitletzten Bildes. Die Distanz zwischen uns betrug knapp zehn Meter, das ist mehr, als mein Amateurobjektiv handhaben kann. Ich habe aber das Gefühl, dass der Fuchs bald zutraulicher wird und ich euch ein gutes Foto von dieser Schönheit zeigen kann, bevor die Blätter sich verfärben.
Auf dem Heimweg begegnete ich noch der Kirchenkatze, welche gerade Tempeldienst hatte und die Türe bewachte. Ich nenne sie so, weil wir uns stets dort begegnen, wir sind Freunde seit April. Aber das ist eine andere Geschichte und soll vielleicht ein ander Mal erzählt werden.